Das Fussbad, 150 x 120 cm, Öl auf Leinwand, 2011

Nina Mambourg

Hundstage

23. September - 8. Oktober 2011

Vernissage: Donnerstag, 22. September 2011, 18.00 bis 21.00 Uhr
Finissage: Samstag, 8. Oktober 2011, 17.00 bis 20.00 Uhr

Location: im Schiffbau 5, Schiffbauplatz 5, 8005 Zürich, www.schiffbau5.com
www.claudiamerlotti.com

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 11.00 bis 18.00 Uhr
Samstag: 12.00 bis 17.00 Uhr


Nina Mambourg, 40, ist Luzernerin mit luxemburgischen Wurzeln. Nach ihrer Ausbildung in der Fachklasse für Grafik an der Höheren Schule für Gestaltung Zürich ( SfGZ ), setzte sie das Studium and er HGKZ in der bildenden Kunst fort. Nach zwei erfolgreichen Ausstellungen in Luxemburg zeigt nun die Galerie Burgerstocker ihre grossformatigen Oelbilder vom 23. September bis 8. Oktober 2012 im Schiffbau 5. An der Vernissage am Donnerstag, 22. September 2011, spricht die Kunsthistorikerin Christina von Rotenhan über die Bedeutungen von Mambourgs Werken.


Vier Fragen an die Künstlerin:
Warum malst du Porträts?
Die Leute glauben, ich male Porträts, aber so einfach ist das nicht. Ich male zwar Personen, aber keine Persönlichkeiten. Mich interessiert nicht das Wesen einer Person, noch wer die Frauen sind. Sie existieren nicht, sie sind zusammen geschnipselt aus den vielen Bild- und Fotomaterialien, das ich unentwegt sammle. Ich male auch nicht mich selbst, auch wenn es immer wieder Leute gibt, die mich zu erkennen glauben. Vielleicht sehen mir die Frauen ähnlich, aber dies ist unbeabsichtigt. Ich male Situationen, Gefühle, Stimmungen und Gedanken. Da ich aber alles aus meinem eigenen Gedankengut schöpfe, also empirisch vorgehe, haben die Bilder doch immer etwas mit mir zu tun. Aber man kann ja schliesslich auch abstrahieren. Ein Krimi-Schreiber muss kein Mörder sein und ich muss keine Depressionen haben, um Melancholie darzustellen.

Warum malst du nur Frauen?
Wie schon erwähnt kommen die Ideen zu meinen Bildern aus meiner eigenen Gedankenwelt oder aus Beobachtungen, die ich in meinem Umfeld mache. Aber es fliessen auch aktuelle Themen ein wie das Weltgeschehen und Politik. Ich bin einfach der Filter und meine Reaktionen wird gemalt. Da ich selber eine Frau bin, müsste ich alles, wenn ich Männer malen wollte, noch einmal übersetzen, um es aus einem männlichen Blickwinkel zeigen zu können. Dies interessiert mich momentan nicht.

Wie entsteht ein Bild?
Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal sehe ich zum Beispiel ein Bild eines Rotkehlchens und denke: Was für ein wunderschöner Vogel. Dann fange ich an zu recherchieren. Es gibt ganze Lexika über Symbole und Attribute in der Kunst. Ich liebe diese Bücher! Ein Rotkehlchen beispielsweise ist ein Sinnbild für die menschliche Seele. Aber da es noch eine rote Brust hat, kann es auch als Zeichen der Liebe oder als Symbol für die Passion Christi gesehen werden. Eigentlich gilt dies mit der Liebe und mit Christus für fast alles, was rot ist: Tomaten, Äpfel, rote Blumen, usw. Oder ein blauer Mantel ist immer auch ein Marienattribut. Ich bin überhaupt nicht religiös, aber solche Sachen gefallen mir. Es inspiriert mich beim Malen.  Aber schlussendlich ist es mir egal, ob alle Betrachter meine Bilder deuten können. Mir reicht es zu wissen, dass man könnte, aber nicht jeder muss tiefer graben, wenn er nicht will.
Ein anderes Beispiel: Ich sitze beim Frisör, als die Minarett-Initiative lief. Ich denke über Religion nach, wie klein ihre Rolle in meinem Leben ist und wie sehr sie der Auslöser für Kriege und Gewalt ist. Ohne Religion ginge es der Welt vielleicht besser! Dann sehe ich mich im Spiegel mit einem Tuch auf dem Kopf und muss lachen, weil ich aussehe wie der Papst Innozenz X. von Velasquez. Ein Bild, das ich sehr mag und auch schon von Francis Bacon interpretiert wurde. Ich muss das dann einfach malen, ein Zitat des Bildes, aber als Frau, quasi um meinen eigenen Wertezerfall zu dokumentieren …  Oder „Mutter und Kind“, ein grosses Thema in der Kunst, das wollte ich schon immer malen.

Wer sind deine Vorbilder, wo ist deine Verortung?
Ich mag den magischen Realismus der 20er-Jahre und die neue Sachlichkeit. Ich mag Anton Räderscheidt, Balthus, Christian Schad; Lucian Freud, John Currin oder Marlene Dumas. Aber ich hole mir meine Inspiration auch bei den alten Meistern. Ingres, zum Beispiel. Als ich gesehen habe, wie er sich schon im 19. Jahrhundert über korrekte Proportionen hinweg setzte, hat mich dies sehr beeindruckt. Man merkt es gar nicht, wenn man seine Bilder betrachtet, aber manchmal ist ein Bein doppelt so lange wie das andere und trotzdem stimmt alles. Es gibt Frauenporträts von ihm, in denen man die Nase von der Seite und die Augen von vorne sieht oder umgekehrt. Auf jeden Fall falsch eigentlich, aber wunderbar. Offenbar war auch Picasso sehr von Ingres beeinflusst. Dies würde dann Ingres zum Vorreiter des Kubismus machen!

Die Kunsthistorikerin Christina von Rotenhan über die Arbeiten von Nina Mambourg

Nina Mambourg weiss, wie sie bei einem Atelierbesuch erklärte, mit Gewissheit, wann ihre Bilder abgeschlossen sind, wann es keine Verschönerungen, Überarbeitungen oder weitere Details benötigt – ein künstlerisches Gespür und eine Entschlossenheit, die man ihren Bildern ansieht: Spannungsreich inszenieren ihre Frauenbilder weibliche, emotional ambivalente Momente, ihre Gemälde sind wie Seelenlandschaften zwischen Bewusstem und Unbewusstem.

So einen Zustand des Dazwischen hat die österreichische Künstlerin Maria Lassnig einmal mit den folgenden Worten beschrieben: «Für die an sich getrennten Begriffe ‹Wirklichkeit› und ‹Schein› gibt es im Grunde ein gemeinsames Wort, in dem beide gepaart wurden: ‹Sein›. Es enthält das Mögliche, den Konjunktiv ‹sei›, als könnte etwas zugleich sein und auch möglich werden.»
Die Werke von Nina Mambourg, die ausschliesslich Frauen zeigen, erforschen emotionale, weibliche «Seinszustände». Ihre Protagonistinnen stehen auffallend bewegungslos vor den bühnenhaften Kulissen, wie moderne Allegorien für emotionale Momente zwischen Ahnen und Wissen, Resignation und Revolte. In immer wieder neuen Facetten und Nuancen werden diese Grenzbereiche  inszeniert: In «Schlafende Hunde» (2011) ist es zum Beispiel die stille Ahnung, bei jeder Bewegung die schlafenden Hunde wecken zu können, eine Frage auch nach dem Handlungsspielraum des Einzelnen in der heutigen Welt. Bei «Frau mit Wasserglas und Hunden» (2007) scheint noch nicht ins Bewusstsein vorgedrungen zu sein, dass Wasser verschüttet, auch verschwendet wurde, nach dem die Hunde sehnsüchtig lechzen. «Auf der Couch» (2009) wiederum zeigt eine brav gekleidete Dame und ein nachdenkliches, aber auch verführerisches Spiel mit den eigenen Haaren, die bereits beginnen mit dem Couchsessel zu verschmelzen. Ganz unbewusst scheint den Figuren aber ihre Situationen nicht zu sein, der direkte Blick aus dem Bild zumindest sucht den Dialog mit uns, denjenigen, die – gerade wegen der bühnenhaften Inszenierung – doch eigentlich Zusehenden. Hier geht es auch um Selbst- und Fremdwahrnehmung, um tradierte und (selbst) auferlegte Erwartungen und Normen.
Nina Mambourg ist wiederholt gefragt worden, warum sie ausschliesslich Frauen in ihren Bildern zeigt. Die Antwort ist bestechend einfach: aus dem eigenen weiblichen Blickwinkel lassen sich innere Zustände und äusserer, sichtbarer Ausdruck dieser Emotionen an Frauen direkter nachvollziehen und in die Malerei übersetzen. Mambourgs Frauentypen sind jeweils Vehikel, Vermittlerinnen einer selbst erfahrenen oder beobachteten Gefühlslage und Stimmung.
Die ersten Bilder bis 2007 waren Portraits von Freundinnen und Bekannten, aber Mambourg interessiert immer weniger, das Wesen einer Person zu erfassen, und mehr und mehr die Möglichkeiten, mit der Malerei zu erzählen, emotionale Zustände zu inszenieren. Für diese Erzählungen entwickelt Nina Mambourg einen Stil und einen Frauentypus, der an die neue Sachlichkeit und den magischen Realismus der 1920er Jahre erinnert: In überzeichneter Realität mit wenig Licht- und Schattenwirkung werden die Figuren in oft scharf abgegrenzten Formen in den Raum gestellt und scheinen so gleichsam vor ihrem schlicht gehaltenem Hintergrund zu schweben. Der gewählte Frauentypus bietet Mambourg eine Vielfalt von Nuancierungen: er ist kühl und ungeschönt, zwischen mädchenhaft und burlesk, in der nüchternen, scharfen Zeichnung oft starr wirkend aber mit blassem Teint auch verführerisch, zerbrechlich, tänzerisch.
Mambourg arbeitet bei ihren Gemälden mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Vorlagen, die «mit der Bedenkenlosigkeit einer Grafikerin», so die auch zur Grafikerin ausgebildete Mambourg, collagiert werden. Sie interessiert vor allem die visuelle Kraft der Vorlagen, ihr Potential, emotionale Inhalte in weiblicher Spielart zu vermitteln. Und so werden im Alltag real beobachtete und dann nachgestellte Situationen zu Vorlagen, Posen und Symbole aus der Kunstgeschichte von Rembrandt oder Velasquez über Christian Schaad bis zu Lucian Freud, aber auch Anzeigen aus der Werbung und den

Medien inspirieren neue Bilder. Die Werke verdichten sich Schritt für Schritt zwischen Computerbildschirm und Leinwand: sie collagiert ihre Bildvorlagen am Computer, überträgt die Komposition in die Malerei, um sie dann abzufotografieren und am Computer weiterzuentwickeln, bevor das Gemälde malerisch zu Ende geführt wird. Anfangspunkt jedes Gemäldes – auch wenn Mambourgs Bilder längst keine Portraits mehr sind – bleibt, so sagt sie selbst, für sie das Wesentliche: das Gesicht.
In diesem Prozess der Werkentstehung sind es kleine, fast unscheinbare Brüche, mit denen die angebliche Ordnung aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Sein und Schein können ja auch im wirklichen Leben oft eine Frage der Balance sein. Eher beiläufig bei einem Atelierbesuch sagte Nina Mambourg: «Dass Künstler wie Ingres nicht ‹korrekt› gemalt haben, und es trotzdem als geschlossenes Werk funktioniert, hat mich fast beruhigt». Ihre Werke zeigen zunehmend Freude an diesen «Brüchen», an der subtilen und beunruhigenden Verunklärung und Überspitzung. Die Anatomie wird verzerrt,  Körper und Kleidung werden – je nach Bedeutung für die Erzählung – mal malerisch verbunden oder mal mit klaren Konturen scharf getrennt. Detaillierte Passagen stehen neben wenig ausgearbeitetn Bildteilen, ein Stuhlbein wird weggelassen oder ist es nur die überzogene Perspektive der Untersicht? Räumliche Verunsicherung verstärkt immer wieder den surrealen Charakter von Mambourgs Werken. Die kräftigen Farben schaffen Gegensätze aber auch verbindende Entsprechungen mit einer Vorliebe für die Kontraste rot und grün, schwarz und weiss. Sie können auch symbolisch als Gegensätze wie beispielsweise «Ja und Nein», «angepasst und unangepasst», «wachend und träumend» gelesen werden, zwischen die Mambourg ihre Frauenfiguren platziert. Was ist nun Sein und was Schein bei Nina Mambourg? Am Ende bleibt die Malerei, die ihre surrealen Welten für uns zu einem verführerischen, emotional realen Ganzen werden lässt.

Christina von Rotenhan (*1977) arbeitete nach ihrem Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Psychologie in Berlin und Rom von 2003 bis 2008 als Junior Specialist in der New Yorker Galerie C.G. Boerner und anschliessend bis 2011 als kuratorische Assistentin am Museum Haus Konstruktiv, Zürich. Sie lebt und engagiert sich heute als freie Kuratorin in Zürich.


naloo