Detail aus “Mirrored 12: Das Schöne stirbt”, 2006, 33,7 x 85,8 x 15,2cm, mixed media, © Kees Hensen

Kees Hensen

Of All Abandoned Places

22. Januar - 20. Februar 2010

Vernissage: Donnerstag, 21.01.10, 18.00 bis 21.00 Uhr


Nichts ist einfach, einfach ist alles, im Grunde genommen.

Die Galerie BurgerStocker freut sich, die erste Galerienausstellung des holländischen Künstler-Schriftstellers Kees Hensen (*1958 in Tilburg NL geboren, lebt und arbeitet in Amsterdam) präsentieren zu können. Gezeigt werden Arbeiten der letzten zwanzig Jahre: „Windowed Cabinets“, skulpturale Arbeiten, Collagen und Fotografien.

Vor zwanzig Jahren lernte ich Kees Hensen kennen. Er lebte damals das ganze Jahr hindurch in einer kleinen ca. 15m² grossen Mühle am Fluss im Val Bavona am Ende des Maggia-Tals, kein fliessendes Wasser, nur eine offene Feuerstelle. In dieser selbst gewählten Einfachheit und Abgeschiedenheit fand er die Stille und Distanz, die ihm ein konzentriertes Arbeiten ermöglichte. Neben seiner intensiven schriftstellerischen Tätigkeit – Poesie und Prosa – entstanden hier die meisten Arbeiten, die nun in der Galerie erstmals zu besichtigen sind.

Schon früh trieb die Sinnsuche Kees Hensen ins reale Leben hinaus, um aus eigener Wahrnehmung das Leben zu erfahren. Mit sechzehn Jahren reiste er, auf den Spuren Petrarcas nach Südfrankreich und bestieg den Berg Ventoux, um mit eigenen Augen zu sehen, was der Dichter in seinen Texten beschrieb. Daraus entstand Jahre später “Canti Magnetici”, ein Gedicht in Prosa. Die viel beschworene Metapher des ‚Ozeans’ bewog ihn dazu, sich für fast ein ganzes Jahr als Matrose auf einem Schiff anheuern zu lassen. Die Erfahrung, was es heisst in den Alpen zu leben, machte er im Schweizer Landdienst. Vier Jahre lang half er während der Heusaison einer Bergbauernfamilie aus Uri im abgelegenen Tal auf 2200 m Höhe aus. Aus dieser intensiven Begegnung mit dem Ort und der daraus hervorgegangenen Freundschaft mit der Familie, entstanden im Laufe der Jahre unzählige Doppelporträts zweier Brüder, die Kinder des ältesten Sohnes der Bergbauernfamilie. Drei dieser schwarz-weiss Doppelporträts auf Barytpapier werden in der Galerie gezeigt.

Sein bildnerisches Werk ist sehr direkt mit der Essenz seiner Tätigkeit als Schriftsteller und Poet verknüpft. In der geschriebenen Sprache legt Kees Hensen grosse Aufmerksamkeit auf nicht¬verbale Aspekte von Kommunikation. Er beschreibt, was er sieht und hört. Der Erzähler gibt keine Kommentare oder Interpretationen ab, dies überlässt er dem Leser. Seine Tätigkeit als Schriftsteller und seine skulpturalen und visuellen Arbeiten sind nicht voneinander zu trennen, sie bilden eine Einheit. Im Tessin begann Kees Hensen die Essenz seines Schreibens in skulpturale Konstellationen zu übertragen, verstanden als eine Erweiterung seiner Tätigkeit als Schriftsteller.
Aus dieser Perspektive heraus entstanden ab 1989 eine Serie von skulpturalen Arbeiten, die „Gipfel-Bücher“. Eine kleine Auswahl dieser „Gipfel-Bücher“ wurde bereits 1997 im Kunsthaus Zürich gezeigt. „Diese Bücher sind ein Versuch, eine Form zu entwickeln, in der die bildenden Aspekte der Sprache autonom und zeitlos werden.“

Die in der Folge entstandenen „Windowed Cabinets“ sind von Hand gefertigte, verglaste Kästen. Darin findet sich eine Ansammlung unterschiedlichster, gefundener Objekte, die der Künstler in einem langwierigen Prozess zueinander in Bezug setzt. Der Titel „Mirrored“ spielt mit der Metapher des Spiegels: Zu verstehen als Spiegelung der schriftstellerischen Arbeit des Künstlers in den Objekten, aber auch Spiegelung des Betrachters im Werk des Künstlers. In diesem wechselseitigen Spiel der Reflektion entsteht ein Dialog. Die Ausstellung zeigt sechs „Windowed Cabinets“: Drei kommen aus einer Serie mit dem Titel „Mirrored“. Die anderen drei heissen: L’incontro (die Begegnung), „Das Schöne stirbt“ und „Le scarpe rotte ai piedi“ (Die kaputten Schuhe an den Füssen).
Die verglasten Vitrinen erinnern an holländische Raritäten-Kabinette aus dem 16. Jahrhundert, einer Zeit, als die Europäer die unbekannte Welt eroberten und in Wunderkammern alles Exotische, Fremde und Abartige zusammentrugen und ausstellten. Neben diesen „Windowed Cabinets“ finden sich auch vier skulpturale Arbeiten: „A Dream Fall Through“, „The Dilemma“, „Auge und Auge: Cariatide „ und „Auge um Auge: Du darfst mein Po nicht sehen, or: for his father’s thoughts, a million dollars.”

Eine neuere Arbeit, die sich mit dem Thema der Desorientierung auseinandersetzt, nennt sich „Of All Abandoned Places“ (gesamthaft 17 Collagen). Die grossformatige Collage setzt sich aus einer zerschnittenen und neu zusammen¬gefügten Schweizer Wanderkarte zusammen, die mit zwei schwarz-weiss Fotografien ergänzt werden. Auf der einen Fotografie sieht man das verlassene Haus der Urner Bauernfamilie in den Alpen auf der anderen Fotografie die ebenso verlassene rosarote Fabrik von Harald Szeeman in Maggia.

Die Arbeiten zeigen eine dichte Welt, die von anderen Regeln geprägt ist als die unsrige. Der Betrachter ist eingeladen, Kees Hensens Arbeiten zu „lesen“ und zu „interpretieren“, so als würde man sich in einem Gedicht vertiefen.

Dezember 2009
Joy Neri-Preiss


naloo