G.T. 1, 2007, 83 x 65cm, Mischtechnik auf Pavatex

Andreas Dal Cero

Wild Horses

21. Mai – 19. Juni 2010

Vernissage: Donnerstag, 20.5.2010, 18.00 bis 21.00 Uhr


„Räume sind auch Seelenräume“

Andreas Dal Cero ist 1964 geboren, lebt und arbeitet in Zürich. Würde er nicht Kunst machen, wäre er heute Musiker, Koch oder Platzwart bei FC Barcelona.

Du bist in Schleitheim bei Schaffhausen aufgewachsen, hast eine Lehre als Graveur gemacht und zwei Jahre später die Kunstschule F+F besucht. War Künstler zu sein für dich immer ein Traumberuf?

Die Freude am Malen, Zeichnen oder Kleben war schon immer da. Die anderen Jungs aus dem Dorf haben „Töffli frisiert“ – ich hab gezeichnet. Der Wunsch, daraus einen Beruf zu machen, kam erst mit dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Zürich. Für einen 16- jährigen aus einem kleinen Dorf, damals noch weit weg von allem, war Zürich sehr beeindruckend und inspirierend. Es war aber kein Moment des Entscheidens, sondern eher ein Bestätigen, dass Kunst das Richtige ist.

Danach hast du einige Jahre in Barcelona gelebt und auch Kanada und Kuba besucht. Was haben dir diese Aufenthalte als Künstler gebracht?

Barcelona: freie Sicht aufs Mittelmeer. Ich war damals sehr von den deutschen Expressionisten beeinflusst. In Katalonien entdeckte ich Miquel Barcelo und Antoni Tàpies: Barcelo mit seinen Themen wie Religion und Umwelt unter Verwendung von organischem Material und Tàpies mit seinen riesigen lyrischen Abstraktionen haben mich geradezu erschreckt. Architektur, Licht, Meer, Kultur und Land faszinierten und inspirierten mich. In den letzten Jahren in Barcelona habe ich ausschliesslich Stillleben gemalt. Wein, Fisch und Brot, obwohl ich nicht religiös bin.

In Kanada war es die unendliche Weite, der Horizont. Meer und Berge beschäftigten mich auch noch nach der Reise in meiner Arbeit. Tja, und Kuba lässt sich nicht einfach in Worte fassen. Kuba hat mich künstlerisch elektrisiert: diese Architektur und die Hauptstadt Havana! In jedem Gebäude, in jedem Stein ist eine Geschichte sichtbar. Die Räume sind oft mit bunten Ornamenten geschmückt. Dieser heruntergekommene Chic, der konstruierte Trash ist in meinen Arbeiten sehr präsent. Dann dieses weisse, klare Licht. Ich verwende noch immer Fotos und Skizzen von dieser Reise.

In deiner Kunst geht es oft um Architektur – Aussen- sowie Innenarchitektur – und Ornamentik, also Muster. Sie hat im weitesten Sinne auch mit Architektur zu tun. Woher kommt dieses Interesse und was für eine Bedeutung haben Häuser, Innenräume und Muster für Dich, dass Du sie visuell umsetzst?

Mich faszinieren Städte, dieses Erschaffen von Innen und Aussen. Im Speziellen sind es die älteren, erzählenden Gebäude, welchen man die Zeit ansieht, die mich begeistern. Ich bin in den 60- und 70ern aufgewachsen. Da war aussen diese Biederkeit, diese Ordnung und innen die schreienden Tapeten, Tische, Türen, Hefte, Ablagen, welche mit bunten Folien überklebt und geschützt wurden.

Zu Weihnachten, kurz nach meiner Geburt, kam der erste Fernsehapparat ins Wohnzimmer in die Lücke der Wohnwand. Vielleicht male ich noch immer dieses bewegte Rechteck im starren Muster. Ordnung – Unordnung: Die klaren Formen und Linien treffen auf wilde Pinselstriche. Oft sind die Gebäude und die Räume aber auch nur Mittel zum Zweck, um meine collageartigen Arbeiten zusammen zu halten.

In Traumdeutungen heisst es, die Räume und Häuser seien Körper. Kannst du das nachvollziehen?

Auf jeden Fall, denn sie sind auch Seelenräume. Räume beeinflussen unser Inneres und wir tragen mit der Gestaltung dieser unser Inneres nach aussen. Wir stellen und hängen unseren Charakter und unsere Weltanschauung in den Raum.
Räume können unsere Wahrnehmung, unser Empfinden beeinflussen und sie sind veränderbar. Wir können sie abreissen und unsere Träume wieder neu verwirklichen.

Ein Thema deiner Bilder sind Kioske aus der ganzen Welt. Warum malst du sie?

Mich interessiert mehr, was sie suggerieren, als was sie wirklich beinhalten.
Das Wort „Kiosk“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet einen Lustpavillon, der nach allen vier Seiten offen ist. Das passt zu meiner Malerei, denn ich versuche es auch immer wieder in alle Richtungen.

Dazu gefallen mir die regionalen Unterschiede von Nutzung und Gestaltung.
Sie sind auch ein wenig wie Wundertüten oder können Mogelboxen sein.
Es ist ein Spiegel der Gesellschaft, aber auch ein Treffpunkt, der zur Sozialisierung beiträgt. Ausserdem finde ich sie recht oft einfach witzig.

Was ist für dich gute Kunst?

Die mich anregt, überrascht und mein Auge nicht langweilt.

Interview: Anna von Senger


El Matador, 2008, 120 x 80cm, Acryl und Collage auf Leinwand

Alessandro Starnino

Something(k) Profane

19. März – 24. April 2010

Vernissage: Donnerstag, 18.3.2010, 18.00 bis 21.00 Uhr


Der Italo-Schweizer Alessandro Starnino, Jahrgang 1977, war jahrelang Banker, bevor er Künstler wurde. Er lebt und arbeitet in Zürich.

Deine Bilder muten melancholisch und bisweilen traurig an, gleichzeitig steckt doch sehr viel Humor dahinter. Ähnlich verhält es sich mit den Sujets und Aussagen: Sie sind kindlich bis profan, aber zur gleichen Zeit tiefgründig und facettenreich. Wie erklärst Du diese Diskrepanz?
Ich mag die Melancholie, sie ist Teil meiner Reflektionen und Teil meiner Inspiration. Sie ist die Ruhe in mir und das Gleichgewicht meiner kreativen Exzesse. Das vermeintlich profane Subjekt jedes Werkes gründet in der ernsthaften Situation und sucht seinen eigenen Ursprung in der gesehenen, gehörten und erlebten Geschichte. Humor ist der Relativitätsfaktor schlechthin, ohne Humor endet die Geschichte in einer Katastrophe. Das ist traurig.

Willst du mit deiner Kunst überhaupt etwas mitteilen?
Nein, nicht direkt. Ich sehe in meiner Kunst als erstes eine differenzierte und vor allem subjektive Art etwas darzustellen, eine Geschichte zu erzählen. Was mich eher anspricht ist das Eintauchen anderer in meine Welten. Für den aufmerksameren Betrachter steht eine unendliche Entdeckungsreise bereit. Der wahre Inhalt bleibt aber den Meisten fremd. Diese Leere, wenn wir so wollen, könnte eine mögliche Mitteilung beinhalten.

Du bedienst dich nicht nur dem Pinsel, sondern auch Acryl, tusche, Bunt- und Mar-kierstiften bis hin zu Klebstoffen, Bildern und Fotografien. Warum so breit gefächert?
Bei der Anwendung unterschiedlichster Techniken treibt mich der Ehrgeiz an, experi-mentell die Möglichkeiten und Grenzen von diversen Materialien herauszufinden und diese wiederum zusammenzuführen. Manchmal jedoch geht mir einfach nur etwas aus oder Farben trocknen ein, dann ersetze ich sie mit etwas anderem, oder überklebe es.

Was sind Deine Motivationen?
Es ist unterschiedlich. Ich bin ein sehr visueller Mensch. Die Ästhetik in Bildern kann eine Motivation in mir verursachen, doch auch die Farbenkompositionen oder ein Bildmotiv können mich motivieren. Ganz nach dem Motto „you can find inspiration in everything“ (Paul Smith). Die Muse menschlicher Natur jedoch inspiriert mich am meisten.

Deine Bilder sind fast immer mit Texten versehen. Reichen dir das Gemalte, Fotografierte oder das Geklebte nicht für das, was du sagen willst?
Die Symbiose von Zeichen und Bild entsteht in einem spontanen Prozess, das gemalte Bild findet seine Idee und Form vor der Zusammenführung mit der Textsprache. Dies repräsentiert eine Offenbarung der eigenen Schwächen. Ich kann gewisse Dinge einfach nicht zeichnen oder darstellen, dann schreibe ich es auf. Die verbale Ausdrucksform hat durchaus ihren eigenen Reiz und abgesehen davon, brauchen Wörter nicht so viel Platz.

Du produzierst mit deinen Bildern eine surreale Welt, scheinbar fern der Realität. Eine Art Flucht aus dem Alltag?
Das Produzieren einer surrealen Welt kreiert eine Realität, welche stark mit Systemen, Konzepten, Ideen, Geld, Politik und Status verwoben ist. Mein künstlerisches Schaffen nimmt sich mittels unterschiedlichsten Zugriffen der menschlichen Existenz im Alltag an. Es sind Situationen, welche aus persönlichen Retrospektiven entstanden sind. Die scheinbare Ferne ist sehr nahe und mit der Realität eng verbunden. Keineswegs ist es eine Flucht, ich schaffe mir Inseln auf denen alles erlaubt ist und Probleme direkt und plakativ thematisiert werden.

Was ist für dich gute Kunst?
Ich fühle mich zu zeitgenössischer Kunst sehr hingezogen, verliere jedoch jeden Bezug, wenn die Geschichte fehlt. Gute Kunst hat für mich immer einen ästhetisch ansprechenden Aspekt, einen Inhalt und eine Originalität in der Ausführung.

Interview: Anna von Senger


Detail aus “Mirrored 12: Das Schöne stirbt”, 2006, 33,7 x 85,8 x 15,2cm, mixed media, © Kees Hensen

Kees Hensen

Of All Abandoned Places

22. Januar - 20. Februar 2010

Vernissage: Donnerstag, 21.01.10, 18.00 bis 21.00 Uhr


Nichts ist einfach, einfach ist alles, im Grunde genommen.

Die Galerie BurgerStocker freut sich, die erste Galerienausstellung des holländischen Künstler-Schriftstellers Kees Hensen (*1958 in Tilburg NL geboren, lebt und arbeitet in Amsterdam) präsentieren zu können. Gezeigt werden Arbeiten der letzten zwanzig Jahre: „Windowed Cabinets“, skulpturale Arbeiten, Collagen und Fotografien.

Vor zwanzig Jahren lernte ich Kees Hensen kennen. Er lebte damals das ganze Jahr hindurch in einer kleinen ca. 15m² grossen Mühle am Fluss im Val Bavona am Ende des Maggia-Tals, kein fliessendes Wasser, nur eine offene Feuerstelle. In dieser selbst gewählten Einfachheit und Abgeschiedenheit fand er die Stille und Distanz, die ihm ein konzentriertes Arbeiten ermöglichte. Neben seiner intensiven schriftstellerischen Tätigkeit – Poesie und Prosa – entstanden hier die meisten Arbeiten, die nun in der Galerie erstmals zu besichtigen sind.

Schon früh trieb die Sinnsuche Kees Hensen ins reale Leben hinaus, um aus eigener Wahrnehmung das Leben zu erfahren. Mit sechzehn Jahren reiste er, auf den Spuren Petrarcas nach Südfrankreich und bestieg den Berg Ventoux, um mit eigenen Augen zu sehen, was der Dichter in seinen Texten beschrieb. Daraus entstand Jahre später “Canti Magnetici”, ein Gedicht in Prosa. Die viel beschworene Metapher des ‚Ozeans’ bewog ihn dazu, sich für fast ein ganzes Jahr als Matrose auf einem Schiff anheuern zu lassen. Die Erfahrung, was es heisst in den Alpen zu leben, machte er im Schweizer Landdienst. Vier Jahre lang half er während der Heusaison einer Bergbauernfamilie aus Uri im abgelegenen Tal auf 2200 m Höhe aus. Aus dieser intensiven Begegnung mit dem Ort und der daraus hervorgegangenen Freundschaft mit der Familie, entstanden im Laufe der Jahre unzählige Doppelporträts zweier Brüder, die Kinder des ältesten Sohnes der Bergbauernfamilie. Drei dieser schwarz-weiss Doppelporträts auf Barytpapier werden in der Galerie gezeigt.

Sein bildnerisches Werk ist sehr direkt mit der Essenz seiner Tätigkeit als Schriftsteller und Poet verknüpft. In der geschriebenen Sprache legt Kees Hensen grosse Aufmerksamkeit auf nicht¬verbale Aspekte von Kommunikation. Er beschreibt, was er sieht und hört. Der Erzähler gibt keine Kommentare oder Interpretationen ab, dies überlässt er dem Leser. Seine Tätigkeit als Schriftsteller und seine skulpturalen und visuellen Arbeiten sind nicht voneinander zu trennen, sie bilden eine Einheit. Im Tessin begann Kees Hensen die Essenz seines Schreibens in skulpturale Konstellationen zu übertragen, verstanden als eine Erweiterung seiner Tätigkeit als Schriftsteller.
Aus dieser Perspektive heraus entstanden ab 1989 eine Serie von skulpturalen Arbeiten, die „Gipfel-Bücher“. Eine kleine Auswahl dieser „Gipfel-Bücher“ wurde bereits 1997 im Kunsthaus Zürich gezeigt. „Diese Bücher sind ein Versuch, eine Form zu entwickeln, in der die bildenden Aspekte der Sprache autonom und zeitlos werden.“

Die in der Folge entstandenen „Windowed Cabinets“ sind von Hand gefertigte, verglaste Kästen. Darin findet sich eine Ansammlung unterschiedlichster, gefundener Objekte, die der Künstler in einem langwierigen Prozess zueinander in Bezug setzt. Der Titel „Mirrored“ spielt mit der Metapher des Spiegels: Zu verstehen als Spiegelung der schriftstellerischen Arbeit des Künstlers in den Objekten, aber auch Spiegelung des Betrachters im Werk des Künstlers. In diesem wechselseitigen Spiel der Reflektion entsteht ein Dialog. Die Ausstellung zeigt sechs „Windowed Cabinets“: Drei kommen aus einer Serie mit dem Titel „Mirrored“. Die anderen drei heissen: L’incontro (die Begegnung), „Das Schöne stirbt“ und „Le scarpe rotte ai piedi“ (Die kaputten Schuhe an den Füssen).
Die verglasten Vitrinen erinnern an holländische Raritäten-Kabinette aus dem 16. Jahrhundert, einer Zeit, als die Europäer die unbekannte Welt eroberten und in Wunderkammern alles Exotische, Fremde und Abartige zusammentrugen und ausstellten. Neben diesen „Windowed Cabinets“ finden sich auch vier skulpturale Arbeiten: „A Dream Fall Through“, „The Dilemma“, „Auge und Auge: Cariatide „ und „Auge um Auge: Du darfst mein Po nicht sehen, or: for his father’s thoughts, a million dollars.”

Eine neuere Arbeit, die sich mit dem Thema der Desorientierung auseinandersetzt, nennt sich „Of All Abandoned Places“ (gesamthaft 17 Collagen). Die grossformatige Collage setzt sich aus einer zerschnittenen und neu zusammen¬gefügten Schweizer Wanderkarte zusammen, die mit zwei schwarz-weiss Fotografien ergänzt werden. Auf der einen Fotografie sieht man das verlassene Haus der Urner Bauernfamilie in den Alpen auf der anderen Fotografie die ebenso verlassene rosarote Fabrik von Harald Szeeman in Maggia.

Die Arbeiten zeigen eine dichte Welt, die von anderen Regeln geprägt ist als die unsrige. Der Betrachter ist eingeladen, Kees Hensens Arbeiten zu „lesen“ und zu „interpretieren“, so als würde man sich in einem Gedicht vertiefen.

Dezember 2009
Joy Neri-Preiss


“Rotterdam oder Tanker und andere schöne Dinge”, 2009, 18 x 13cm und 18 x 24cm, Acryl auf Glas

Rudolf Jaeggi Germano

Motore Marino

27. November - 19. Dezember 2009

Vernissage: Donnerstag, 26.11.2009, 18.00 bis 21.00 Uhr


Flora 2009, 120,5 x 80 cm, Lambda C-Print

Thomas Leininger

Shades of Colour

16. Oktober - 14. November 2009

Vernissage: Donnerstag, 15.10.2009, 18.00 bis 21.00 Uhr


Michèle Roten (Das Magazin)
im Gespräch mit dem Künstler Thomas Leininger (1964, lebt und arbeitet in Berlin)

Es läge eigentlich nahe, sich von Thomas Leiningers Bildern inspirieren zu lassen. Einen Text zu schreiben, der versucht, den eigentümlichen Sog dieser Fotografien einzufangen. Man würde Wörter verwenden wie „tagträumerisch“, „schwerelos“. Konstruktionen wie „leuchtend und licht“. „Unangestrengte Verführung“. „Gnädige Unschärfe“. Aber man könnte auch einfach mal den Künstler zu Wort kommen lassen.

Michèle Roten: Wenn ich Deine Bilder anschaue, fühle ich mich wie ein Voyeur. Da ist diese Verschwommenheit, als ob mich nur ein Vorhang von den Frauen trennen würde und die Posen, so alltäglich-intim. Und meine Gefühle dabei schwanken zwischen Scham und Freude. Wie hältst Dus mit dem Voyeurismus?

Thomas Leininger: Etwas zu beobachten, das eigentlich nicht für meine Augen bestimmt scheint, ist besonders aufregend. Ich liebe diese beiläufige, leise Art, etwas zu entdecken auch im Alltag.

Wie pervers fühlt es sich eigentlich als Fotograf an, etwas unscharf zu fotografieren? Ist die Kamera doch ein Mittel für grösstmögliche Genauigkeit.
Es ist wunderbar. Die Zeit der neuen Sachlichkeit, der seelenlosen Selbstentblößung und Schamlippen-Diarys in der Fotografie und Kunst langweilte mich. Das ist beeindruckend auf den ersten Blick, doch ohne Bestand und zum anderen hässlich-kalt zur Schau getragene Eitelkeiten einer Ich-bezogenen Spassgesellschaft. Mich interessiert nicht das Konkrete, sondern eine abstrakte, visuelle Figur. Ein traumhafte Verkörperung von erotischen Wünschen. Kein Pink-Shot, keine Ware, kein Fleisch, sondern das Gefühl, die Wahrheit, die Liebe.

Auch meine Empfindung: Deine Fotografien sind eher Vorstellung als Abbildung. Kann man eigentlich sagen: Dir ist die Welt zu scharf? Wünschst Du Dir mehr Verschwommenheit, Uneindeutigkeit im Leben, in der Gesellschaft? Bist du ein Freund des indirekten Wegs?
Ja, größtenteils, zumindest dort, wo der Bilck aufs Wesentliche verstellt ist – in den Städten. Zu viele Menschen, zu wenig Platz. Wo es eng ist, fehlt auch im Allgemeinen der Weitblick, die Träume. Nur Begrenzungen, Menschen, Häuser, Gestank und vor allem Lärm. Meine Bilder kämpfen für mehr Schönheit, für Sinnlichkeit, für Ruhe, für Einkehr. Ich male Bilder mit der Kamera, bestimme den Ort, die Zeit, das Outfit und Atmosphäre. Bin still, drücke auf den Auslöser. Und wähle beim Sichten des Materials die zufälligen, alltäglichen Posen aus. Wie das wahre Leben. So sieht’s aus.

Und die Frauen sehen alle wunderschön aus. So ganz im populär-normativen Sinn: Sie sind schlank, und – soweit man das erkennen kann – sehr hübsch. Warum hast du nur solche Ideale in diesen Reigen aufgenommen?
Die Bilder entsprechen meinen Vorstellungen, meinem Bild von Frau, das ich momentan formal am schönsten finde. Meine Art sie unscharf zu fotografieren, macht diese, ja alle Frauen etwas schlanker als sie tatsächlich sind. Ich seh sie mir sozusagen zu recht, ich mache sie zum Ideal. Ich habe aber auch schon weitaus dickere Frauen so fotografiert – sie gefielen sich dann auch sehr. Der nächste Zyklus, mit dem ich bereits begonnen habe, zeigt kaum wahrnehmbare, dunkle Akte. Sie erzählen, so hoffe ich, mehr von der Nacht, vom Tod. Und zeigen auch ältere Frauen. Und Männer.

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen dem Fotografieren von Frauen und Männern?
Ich finde Frauen spannender als Männer. Männer brauchen meiner Erfahrung nach länger, sich einzulassen, sich zu zeigen, sie schützen sich gerne, sind verunsichert, sind weniger intuitiv und denken viel nach.

Wann ist für Dich eine Frau schön?
Wenn sie bei sich ist. Sich wohl fühlt in ihrer Haut. Wenn sie strahlt. Sich selbst liebt. Wenn sie sich verschenkt. Wenn sie sich hingibt. Hingabe ganz allgemein ist schön. Selbstliebe und Hingabe, ja.

Was treibt dich künstlerisch an?
Es ist immer wie das Leben selbst: Ich bin auf der Suche nach innerer Ruhe, nach vollkommener Zufriedenheit. Am Anfang, beim fotografieren wie im Leben, steht dabei immer die Aufregung, die erotische Neugier. Sie treibt mich an. Und wenn ich es finde bzw. es mich findet, kommt die Ruhe. Die Ent-Spannung. Das Gefühl, ein gutes Bild gemacht zu haben ist wie ein stimmiger Klang. Ein Dreiklang aus Form, Farbe und Gefühl.

Was ist ein gutes Bild?
Ein gutes Bild regt uns auf und macht uns ruhig. Es erzählt vom Leben oder vom Tod.


Roswitha Hecke

Photographien, New York, 1980/1981

28. August - 26. September 2009

Vernissage: Donnerstag, 27.8.2009, 18.00 bis 21.00 Uhr


Ein junger Schwarzer Boxer, cool und konzentriert blickt er in die Kamera, seine Bereitschaft zum Kampf demonstrierend. Auf dem anderen Bild sitzt einer auf seinem Bürostuhl, die Beine lässig übereinander geschlagenen, im Mittelpunkt ein Revolver, der in einem Halfter am Knöchel steckt, vermutlich ein Detective. Beide Szenen scheinen einem vertraut: Sie könnten einem amerikanischen Film aus den Siebzigern entsprungen sein und die Fotografien wären eigentliche Filmstills.

Hier sind sie aber Realität. Und viel mehr: Denn in dem Moment, in dem man die Bilder vor sich hat, läuft im Kopf des Betrachters ein ganzer Film ab. Roswitha Hecke, 1944 in Hamburg geboren, schafft es, den Betrachter mitten ins Geschehen zu ziehen.

Die Fotoarbeiten sind während einer US-Reise mit dem Schriftsteller Wolf Wondratschek, ihrem damaligen Lebensgefährten, entstanden. Das Dreamteam der modernen Reisereportage veröffentlichte damals unzählige Storys im Playboy, Lui und anderen Magazinen.

Ende der Siebziger lebten die beiden eine Zeitlang in New York und verbrachten durch Wondratscheks Liebe zum Boxsport viel Zeit im legendären Box-Gym Gleason’s. Dabei interessierten Hecke insbesondere die Beziehungen zwischen Boxer und Trainer. Beinahe unsichtbar und nur mit „available-light“ abgelichtet, gelangen der Fotografin Studien beeindruckender Intensität.

Fasziniert wurde sie auch von der Arbeit des Detectives Roy Finer vom Morddezernat des 48. Reviers der South Bronx, dem Elendsviertel New Yorks der 70er und 80er-Jahre. Anfang der 80er-Jahre hat die Fotografin Hecke den Detective einige Wochen begleitet, sie wurden Freunde. Und so konnte sie seine Arbeitstage und seine Freizeit mit der Kamera dokumentieren. Finers Leben scheint dem Klischee des amerikanischen Film-Polizisten zu entsprechen: Kriminalität, Gewalt, Waffen und Einsamkeit.

Ihre verborgenen Blicke auf fremde Städte und unbekannte Milieus spiegeln ihre geheimnisvolle Sichtweise von der Kunst der Photographie wider: Zuneigung zu den Fotografierten, Gespür für den richtigen Blick, Anteilnahme mit Staunen und Heiterkeit und eine unaufdringliche Nähe.


Detail aus „Pfui III“, 1994, Gouache auf Papier, 100 x 70 cm

Silva Preiss

«Bis Jetzt»

26. Juni - 20. August 2009


Vernissage: Donnerstag, 25.6.2009, 18.00 bis 21.00 Uhr
Finissage: Donnerstag, 20.8.2009, 18.00 bis 21.00 Uhr


Wir freuen uns, Ihnen anlässlich unserer Galerieeröffnung Arbeiten von Silva Preiss (*1927 in Zürich) präsentieren zu können.

Ursprünglich an der Fachklasse für Malerei an der Kunstgewerbeschule Zürich (heute: Zürcher Hochschule der Künste) ausgebildet, war die Malerin lange Zeit durch ihr Familienleben absorbiert, sowie durch ihre Tätigkeit als Mal- und Zeichenlehrerin an verschiedenen Privatschulen. 1977 eröffnete sie eine eigene Malschule für Erwachsene, die sich als sehr erfolgreich erwies, und widmete sich in der Folge ausschliesslich der Malerei. Zuletzt hatte Silva Preiss im Jahr 2001 eine Einzelausstellung in der Galerie Ruth Maurer, Zürich und 1997 in der Galerie Marie-Louise Wirth eine Ausstellung zusammen mit Carolina Nazar.

Silva Preiss ist oft mit ihrem Skizzenbuch unterwegs und hält alltägliche Szenen, momentane Eindrücke, Menschen oder Landschaften mit Zeichenstift und Gouache fest. Neben ihren inneren Bildern bilden diese Skizzenbücher den Ausgangspunkt für ihre Bildkreationen. Für ihre Themen hat sie die verschiedensten Stile entwickelt, die bald gestisch, bald lyrisch-expressionistisch, bald abstrakt-figurativ, bald plakativ und karikaturistisch anmuten. Zum Beispiel hat sie die ziemlich schroffe Nordküste von Mallorca skizziert und als weiche, sanft geschwungene, aus dem Meer in den Himmel ragende Konfigurationen umgesetzt und dadurch die Meeresstücke zu stimmungsvollen Impressionen verdichtet. Dagegen leben die mit einem konzisen Stift ausgeführten Tierfiguren und Blumen von der Verknappung ins Zeichenhafte. Die neu entstandene Serie von Déchirages kreist um lebhaft bewegte Figuren oder Gruppen, die aus farbigem Papier gerissen sind. Insgesamt wirken die atmosphärisch oft stark aufgeladenen Arbeiten in ihrem intensiven Farbauftrag sehr unmittelbar, frisch und lebendig. So begegnet uns in den Galerieräumen eine ganz eigene, vielfältige Welt, in der dennoch alles mit allem zusammenhängt.

Text: Dominique von Burg


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