G.T. 1, 2007, 83 x 65cm, Mischtechnik auf Pavatex

Andreas Dal Cero

Wild Horses

21. Mai – 19. Juni 2010

Vernissage: Donnerstag, 20.5.2010, 18.00 bis 21.00 Uhr


„Räume sind auch Seelenräume“

Andreas Dal Cero ist 1964 geboren, lebt und arbeitet in Zürich. Würde er nicht Kunst machen, wäre er heute Musiker, Koch oder Platzwart bei FC Barcelona.

Du bist in Schleitheim bei Schaffhausen aufgewachsen, hast eine Lehre als Graveur gemacht und zwei Jahre später die Kunstschule F+F besucht. War Künstler zu sein für dich immer ein Traumberuf?

Die Freude am Malen, Zeichnen oder Kleben war schon immer da. Die anderen Jungs aus dem Dorf haben „Töffli frisiert“ – ich hab gezeichnet. Der Wunsch, daraus einen Beruf zu machen, kam erst mit dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Zürich. Für einen 16- jährigen aus einem kleinen Dorf, damals noch weit weg von allem, war Zürich sehr beeindruckend und inspirierend. Es war aber kein Moment des Entscheidens, sondern eher ein Bestätigen, dass Kunst das Richtige ist.

Danach hast du einige Jahre in Barcelona gelebt und auch Kanada und Kuba besucht. Was haben dir diese Aufenthalte als Künstler gebracht?

Barcelona: freie Sicht aufs Mittelmeer. Ich war damals sehr von den deutschen Expressionisten beeinflusst. In Katalonien entdeckte ich Miquel Barcelo und Antoni Tàpies: Barcelo mit seinen Themen wie Religion und Umwelt unter Verwendung von organischem Material und Tàpies mit seinen riesigen lyrischen Abstraktionen haben mich geradezu erschreckt. Architektur, Licht, Meer, Kultur und Land faszinierten und inspirierten mich. In den letzten Jahren in Barcelona habe ich ausschliesslich Stillleben gemalt. Wein, Fisch und Brot, obwohl ich nicht religiös bin.

In Kanada war es die unendliche Weite, der Horizont. Meer und Berge beschäftigten mich auch noch nach der Reise in meiner Arbeit. Tja, und Kuba lässt sich nicht einfach in Worte fassen. Kuba hat mich künstlerisch elektrisiert: diese Architektur und die Hauptstadt Havana! In jedem Gebäude, in jedem Stein ist eine Geschichte sichtbar. Die Räume sind oft mit bunten Ornamenten geschmückt. Dieser heruntergekommene Chic, der konstruierte Trash ist in meinen Arbeiten sehr präsent. Dann dieses weisse, klare Licht. Ich verwende noch immer Fotos und Skizzen von dieser Reise.

In deiner Kunst geht es oft um Architektur – Aussen- sowie Innenarchitektur – und Ornamentik, also Muster. Sie hat im weitesten Sinne auch mit Architektur zu tun. Woher kommt dieses Interesse und was für eine Bedeutung haben Häuser, Innenräume und Muster für Dich, dass Du sie visuell umsetzst?

Mich faszinieren Städte, dieses Erschaffen von Innen und Aussen. Im Speziellen sind es die älteren, erzählenden Gebäude, welchen man die Zeit ansieht, die mich begeistern. Ich bin in den 60- und 70ern aufgewachsen. Da war aussen diese Biederkeit, diese Ordnung und innen die schreienden Tapeten, Tische, Türen, Hefte, Ablagen, welche mit bunten Folien überklebt und geschützt wurden.

Zu Weihnachten, kurz nach meiner Geburt, kam der erste Fernsehapparat ins Wohnzimmer in die Lücke der Wohnwand. Vielleicht male ich noch immer dieses bewegte Rechteck im starren Muster. Ordnung – Unordnung: Die klaren Formen und Linien treffen auf wilde Pinselstriche. Oft sind die Gebäude und die Räume aber auch nur Mittel zum Zweck, um meine collageartigen Arbeiten zusammen zu halten.

In Traumdeutungen heisst es, die Räume und Häuser seien Körper. Kannst du das nachvollziehen?

Auf jeden Fall, denn sie sind auch Seelenräume. Räume beeinflussen unser Inneres und wir tragen mit der Gestaltung dieser unser Inneres nach aussen. Wir stellen und hängen unseren Charakter und unsere Weltanschauung in den Raum.
Räume können unsere Wahrnehmung, unser Empfinden beeinflussen und sie sind veränderbar. Wir können sie abreissen und unsere Träume wieder neu verwirklichen.

Ein Thema deiner Bilder sind Kioske aus der ganzen Welt. Warum malst du sie?

Mich interessiert mehr, was sie suggerieren, als was sie wirklich beinhalten.
Das Wort „Kiosk“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet einen Lustpavillon, der nach allen vier Seiten offen ist. Das passt zu meiner Malerei, denn ich versuche es auch immer wieder in alle Richtungen.

Dazu gefallen mir die regionalen Unterschiede von Nutzung und Gestaltung.
Sie sind auch ein wenig wie Wundertüten oder können Mogelboxen sein.
Es ist ein Spiegel der Gesellschaft, aber auch ein Treffpunkt, der zur Sozialisierung beiträgt. Ausserdem finde ich sie recht oft einfach witzig.

Was ist für dich gute Kunst?

Die mich anregt, überrascht und mein Auge nicht langweilt.

Interview: Anna von Senger


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